dib+: Drug Checking ist kosteneffiziente Suchthilfe
Medienmitteilung von CONTACT vom 21.06.2017
dib+: Drug Checking ist kosteneffiziente Suchthilfe
Seit August 2014 führt CONTACT, Stiftung für Suchthilfe, das Angebot dib+ (Drogeninfo Bern). Erwachsene, die sich über die Gefahren von psychoaktiven Substanzen informieren möchten, können diese testen lassen. Mehr als jede zweite Substanzanalyse hatte eine direkte Warnung zur Folge. Dies ergab eine Evaluation nach zweieinhalb Jahren Betrieb, die dib+ attestiert, kosteneffizient individuelle Schadensminderung zu betreiben und auch Folgekosten für die Gesellschaft zu verhindern.
Mit Drug Checking, Information und Beratung werden Menschen erreicht und kosteneffizient darin unterstützt, einen risikoarmen Umgang mit sogenannten Partypillen, bewusstseinsverändernden Pulvern, Tropfen oder substanzgetränkten Filzen zu finden. In 28 Monaten wurde in 720 Fällen infolge der Analyseresultate eine Warnung aufgrund erhöhter Gesundheitsgefährdung direkt an die Personen ausgesprochen. Dies entspricht 57%, also mehr als jeder zweiten der untersuchten Proben. Auch bei den restlichen Proben wurde auf die Risiken des Konsums hingewiesen.
Regelmässige Online-Warnungen wirken präventiv
CONTACT, Stiftung für Suchthilfe, bietet im Auftrag der Gesundheits- und Fürsorgedirektion GEF des Kantons Bern ambulante Angebote mit dem Ziel, die Risiken und Folgeschäden des Suchtmittelkonsums zu mindern. Seit August 2014 können Erwachsene, die gelegentlich oder regelmässig legale oder illegale psychoaktive Substanzen konsumieren, bei dib+ in der Berner Altstadt die Substanzen testen lassen. Dazu arbeitet CONTACT eng mit dem Kantonsapothekeramt Bern zusammen, das die Pulver, Pillen, Tropfen oder Filze testet.
Während der Öffnungszeiten sprechen zwei Sozialarbeitende, unterstützt von zwei Peer-Mitarbeitenden, die Lebenssituation der Freizeitdrogenkonsumierenden an, vermitteln Informationen, sensibilisieren für Konsumverhalten und -risiken und bieten bei Bedarf weitergehende Unterstützung an. Die nachgelagerten dib-„Plus“-Sprechstunden ermöglichen weitere medizinische, psychiatrische, psychologische und/oder sozialarbeiterische Abklärung oder Weitervermittlung an eine andere Fachstelle. Die direkte Markteinsicht ermöglicht dib+ ein kontinuierliches Monitoring, und präventive Botschaften in Form von Warnungen zu den sich im Umlauf befindlichen Substanzen können formuliert werden. Die Warnungen werden der Zielgruppe online auf drugcheck.raveitsafe.ch verfügbar gemacht
Grosse Anzahl getesteter Pillen mit hoher Dosis an Wirkstoff
Der Evaluationsbericht, der durch ein externes Evaluationsbüro verfasst worden ist, stellt fest, dass die Anzahl getesteter Pillen mit einer hohen Dosis an Wirkstoff sehr gross ist. Das Potenzial, seine Gesundheit zu schädigen, ist bei Einnahme solcher Pillen entsprechend ebenfalls sehr gross. Mit verhältnismässig wenig Ressourceneinsatz – die Kosten für dib+ belaufen sich auf rund 100‘000 Franken pro Jahr – können viel höhere Folgekosten für die Gesellschaft vermieden werden: z. B. für Notfalldienste, Ambulanztransporte oder Behandlungen von langfristigen gesundheitlichen Problemen. Die Auslastung von 81.6 Prozent im 2016 widerspiegelt zudem die grosse Nachfrage nach diesem Angebot; sie ist im Steigen begriffen. Jährlich werden etwa 160 vorwiegend junge Erwachsene, die sich den mit dem Konsum von psychoaktiven Substanzen verbundenen Risiken aussetzen, erstmals erreicht.
Von Ende August 2014 bis Ende 2016 wurden 1‘256 Proben entgegengenommen und analysiert (im 2016 +21% gegenüber 2015) und 1‘118 Personen vor Ort beraten (im 2016 +30% gegenüber 2015). Insgesamt wurden 388 Personen erreicht. Etwa 100 Personen entschieden sich im 2016 für die im Angebot „plus“ nachgelagerte sozialarbeiterische Beratung und/oder eine psychiatrisch-psychologische Abklärung. Die Zahlen der externen Evaluation zuhanden der Gesundheits- und Fürsorgedirektion GEF des Kantons Bern verdeutlichen zudem, dass mit dib+ ein Zielpublikum erreicht wird, das keinen Zugang zu anderen Präventions- und Suchthilfeangeboten findet.
Kanton Bern nimmt Vorreiterrolle ein
„Wenn schon konsumiert wird“, so die professionelle Leitlinie von CONTACT, Stiftung für Suchthilfe, die dib+ führt, „dann wenigstens so risikoarm als möglich.“ Dies entspricht auch der Ausrichtung der Nationalen Strategie Sucht des Bundesrates für die Jahre 2017 bis 2024. Diese basiert auf dem Gleichgewicht zwischen Eigenverantwortung und Unterstützung für jene, die diese nötig haben. Einen Schwerpunkt setzt die Strategie Sucht beim risikoarmen Umgang mit psychoaktiven Substanzen. Die Umsetzung dieser Strategie erfolgt in einem entsprechenden Massnahmenplan. Der Kanton Bern nimmt da eine Vorreiterrolle ein; schweizweit gibt es nur noch in Zürich ein mit dib+ vergleichbares Angebot. Die Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft sowie Genf prüfen zurzeit die Einführung eines vergleichbaren Angebots.
Informationen zum Angebot von dib+ (Drogeninfo Bern) auf raveitsafe.ch
Drug Checking
Sprechstunde Plus
Pillen- und Pulverwarnungen
Weitere Informationen
Mehrheitlich wird dib+ von jungen Männern aufgesucht. Mehr als zwei Drittel aller Personen sind weniger als 30 Jahre alt. Der überragende Teil der Personen, die dib+ in Anspruch nehmen, sind Berner – aus Stadt und Kanton. Vorwiegend handelt es sich um Erwerbstätige mit beruflicher Grundbildung. Über 82 Prozent aller Personen haben mit dem Aufsuchen von dib+ erstmals aktiv den Weg zu einem professionellen Beratungsangebot im Suchtbereich beschritten.
Bei 80 Prozent der untersuchten Proben handelte es sich um Pulver (mehrheitlich Amphetamin und Kokain), bei 12 Prozent um Tabletten (mehrheitlich MDMA/Ecstasy), bei den restlichen 8 Prozent um Filze (mehrheitlich LSD) sowie Tropfen und Kapseln.
Bei Proben mit toxikologisch problematischen Substanzen, gefährlichen Kombinationen oder hohen Dosierungen werden Warnungen auf drugcheck.raveitsafe.ch veröffentlicht und „Steckbriefe“ erstellt, die in Clubs ausgehängt werden. In 28 Monaten wurden 77 solche gezielte Warnungen aufgrund von Analysen von dib+ veröffentlicht, also fast drei pro Monat. In gewissen Fällen erfolgte auch eine gezielte Information an Fachpersonen, beispielsweise bei Verwechslungsfällen.
Weitere Gesundheitsgefahren, auf die hingewiesen wird, bestehen darin, dass viele gängige Partydrogen wie z.B. Alkohol, Ecstasy, Kokain und Amphetamin als schwerwiegende Nebenwirkung Puls- und Blutdruckerhöhung sowie Erhöhung der Körpertemperatur zur Folge haben. Wird dabei zusätzlich durch exzessives Tanzen in oftmals überhitzten Clubs infolge Schwitzen viel Wasser verloren, so ist eine ausreichende Versorgung mit Trinkwasser unabdingbar. Eine unzureichende Versorgung mit Trinkwasser kann das Risiko zu Überhitzung des Körpers (Hyperthermie), Austrocknung, Herzrasen und Kreislaufzusammenbrüchen erheblich steigern. Einige Clubs und Veranstaltende stellen kostenlos Trinkwasser bereit. Wünschenswert aus Optik Prävention wäre, dass dies in der Nightlifeszene grundsätzlich überall der Fall wäre.